1901 – 1938: Die Ruhe vor dem Sturm - Sonne, Sand & Badegäste
Das neue Jahrhundert allerdings brachte den Bollwahns kein Glück: der 31jährige Kapitän Moritz Bollwahn kam am 25. November 1902 in Hamburg ums Leben, seine Leiche wurde nach Warnemünde überführt und dort bestattet. Christian und Anna Bollwahn mühen sich nach Kräften, die Schwiegertochter und die beiden Enkel zu unterstützen. Der Lotsenkommandeur Stephan Jantzen, seit über 40 Jahren engster Nachbar der Familie Berg-Bollwahn, nahm 1903 seinen Abschied – inzwischen zählt Warnemünde mit rund 500 Häusern knapp 4.000 Einwohner.
Warnemünder Notgeld vom Mai 1922.
Quelle: Privatsammlung A. Mehrländer
(Berlin).
Christian Bollwahn wurde letztmalig 1908 als Besitzer des Hauses Am Leuchtturm 4 aufgeführt, er verstarb am 14. Juni 1909 im Alter von 71 Jahren in Gehlsheim. Seine Witwe, Anna Bollwahn, geb. Berg, bewirtschaftet ab 1909 das Doppelgrundstück „Am Leuchtturm 4/ Am Alten Strom 120“ ganz allein und ernährte mit der Aufnahme von „Berliner Badegästen“ Schwiegertochter und Enkelkinder. Der Erste Weltkrieg kostet rund 150 Warnemündern das Leben. Im Mai 1922 zieht für kurze Zeit ein Karl Uterhardt, Konzertmeister zu Chicago, in das Haus Am Leuchtturm 4.
Erna Bollwahn wird ab 1931 als Besitzerin des Hauses Am Alten Strom 120 (Doppelgrundstück) genannt. Nach den Eintragungen im Grundbuch, bleibt Anna Bollwahn bis zu ihrem Tod am 12. August 1930 Besitzerin des Hauses am Leuchtturm 4 – sie stirbt mit 80 Jahren. Vermutlich nahm die alte Dame noch an den Hochzeitsfeierlichkeiten Ihrer Enkeltochter Käthe Bollwahn mit dem Versorgungsanwärter Karl Höhne teil, die vor 1930 stattgefunden haben müssen. Karl Höhne (*1899) stammte aus Güstebiese an der Oder, dem heutigen in Polen gelegenen Gozdowice. Im Haus „Am Leuchtturm 4“ wurden bis 1934 noch die Höhne-Kinder Hasso (*ca. 1931) und Karin (13. November 1933) geboren, bevor die Familie Karl Höhne 1934 nach Nordhausen verzog, wo das Nesthäkchen Klaus Höhne (*25. Oktober 1935) geboren wurde.
Ungezählt sind die Sommergäste, die- aufgeführt im Warnemünder Bade-Anzeiger- zwischen 1883 und 1938 im Haus „Am Leuchtturm 4“ Aufnahme und neben der gesunden Meeresluft Ruhe und Erholung fanden. Allein im Sommer 1926, als über 21.000 Badegäste Warnemünde besuchten, nahmen nicht weniger als 29 Personen für unterschiedlich lange Zeiträume Quartier bei Anna Bollwahn: Sie kamen aus Berlin, aus Hameln, aus Schwerin, aus Rostock. Unter den Gästen gab es ledige Lehrerinnen- wie Fräulein Rath aus Rostock – aber auch den „Ersten Bürgermeister“ der Stadt Oschatz, Herrn Dr. Sieblist, der mit Familie und Dienstboten anreiste. Es kamen junge aufstrebende Unternehmer, die ihren Ehefrauen etwas bieten wollten, wie der Neuköllner Kaufmann W. Poeschel mit seiner Gattin – und es kamen Damen der besseren Gesellschaft, die von ihren Ehemännern zur Sommerfrische abkommandiert wurden, damit sie selbst anderen Tätigkeiten nachgehen konnten: Dazu gehörte Frau Regierungsrätin Ellen Straatmann vom Rittergut Schlakendorf, die mit Kind und drei Dienstboten am 3. August 1926 am Leuchtturm 4 ankam.
Ansicht der „Villa Brunhilde“ (zweites Gebäude links vom „Hotel am Leuchtturm“) im Sommer 1939.
Quelle: Privatsammlung A. Mehrländer (Berlin)
Im selben Jahr wohnten auf der anderen Seite des Doppelgrundstücks unter der Adresse „Am Alten Strom 120“ ganze 23 Sommergäste, um die sich Erna Bollwahn kümmerte: Auch hier reichte die gesellschaftliche Spannbreite vom Hamburger Regierungsdirektor Prof. Dr. Sköllin über den Breslauer Fabrikdirektor Loesch bis zum Wurzener Tierarzt Dr. Bömel mit Familie oder aber den Apotheker Bühring aus Halbau i. Schlesien.
Text und Recherche: Dr. Andrea Mehrländer (© 2015); die Auskünfte zur Familie Höhne stammen von Henning Gärner, Hemmingen (© 2012/13)